Mit den Augen hören
Eine Konzertreihe des Ensembles SING&SIGN
Johann Sebastian Bach hat gesagt: „Mit aller Musik soll Gott geehrt und die Menschen erfreut werden.“ Und zwar alle Menschen! Um das zu tun und niemanden auszuschließen, verbindet das inklusive Ensemble SING&SIGN musikalische Praxis und Gebärdensprache. Musik und Text werden hierdurch sichtbar gemacht. Das Wichtigste dabei ist, dass Hörbehinderte und Hörende auf allen Ebenen gemeinsam zusammenarbeiten. Von der Projektentwicklung über die Organisation bis zur Umsetzung.
Das Ensemble wurde 2017 von der Sopranistin Susanne Haupt gegründet. Heute besteht der gemeinnützige Verein SING&SIGN e.V. aus etwa 20 hörbehinderten und hörenden Mitgliedern. Zum Repertoire gehören besonders die Werke von Johann Sebastian Bach. Ziel ist es, in Leipzig jedes Jahr eine Johannespassion und ein Weihnachtsoratorium barrierefrei für Hörbehinderte aufzuführen. Das Ensemble beschäftigt sich aber auch mit anderen Komponisten wie Schütz oder Beethoven.
Beim gemeinsamen Musizieren und Gebärden werden Berührungsängste abgebaut und geteilte Erfahrungen ermöglicht. Aus diesem Grund gehören interaktive Elemente mit dem Publikum ebenso zum Konzept wie Gespräche im Anschluss an Konzerte. Die Möglichkeit sich über die verschiedenen Perspektiven auszutauschen und voneinander zu lernen, führt dazu in Zukunft weniger nebeneinander, sondern miteinander zu leben.
Hintergründe
Die Gebärdensprachgemeinschaft in Leipzig ist besonders groß. Trotzdem sind viele kulturelle Angebote nicht barrierefrei und nicht inklusiv. Vor allem im Bereich der klassischen Musik fehlt oft noch der Teilhabegedanke, dabei gibt es gerade in Leipzig viele musikalische Angebote und Veranstaltungen. Ein Konzert sollte ein Gewinn für Hörende und Hörbehinderte sein können, so wie es auch innerhalb des Ensembles der Fall ist.
Hörbehinderte Menschen können Musik oft noch eingeschränkt wahrnehmen. Zum Teil über die Vibrationen im Raum, Hörimplantate oder das Restgehör. Die Verbildlichung der Musik kann dabei helfen, die wahrgenommenen Klänge besser einzuordnen. Die Gebärden sollen nicht nur den Text der Werke übersetzen, sondern auch den musikalischen Charakter. Musik kann sehr komplex und vielschichtig sein, und genau das soll sich auch in der Visualisierung wiederspiegeln.
Dem hörenden Publikum wird ein Blick in die Sprache und Kultur der Hörbehinderten gegeben. Es wird gezeigt, wie verschieden die Kommunikation in der Gebärdengemeinschaft sein kann. Dabei wird auch auf Probleme und Missstände aufmerksam gemacht, denen die Gehörlosengesellschaft oft ausgeliefert ist. Zum Beispiel einem Mangel an Dolmetscher*innen oder eine allgemeine Unwissenheit der Gesellschaft. Kommunikationsbarrieren, die dadurch entstehen, können zu Ausgrenzung und Diskriminierung von Hörbehinderten führen. Weitere Informationen dazu finden Sie auf der Website Taubenschlag www.nicht-stumm.de
Genau dagegen aber will der Verein SING&SIGN ein Zeichen setzten. Inklusion ist keine Einbahnstraße und kann nur funktionieren, wenn alle Seiten aufeinander zugehen. Das Erlernen der Deutschen Gebärdensprache (DGS) von Hörenden und das Einbeziehen von Hörbehinderten in die musikalische Arbeit ist ein Schritt in Richtung einer gemeinsamen geteilten Praxis. Es soll einen Perspektivwechsel für beide Seiten angeregt werden. Dieser Austausch ermöglicht es, sich besser kennen und verstehen zu lernen, sich füreinander zu öffnen und das Verbindende in den Vordergrund zu stellen.