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Mit den Augen hören

Eine Konzertreihe des Ensembles SING&SIGN

Nächstes Konzert:

Johannespassion barrierefrei für Hörbehinderte

Freitag, 7.6.2024; 21:00 bis 23:00 Uhr

 

 

 

WAS?

SING&SIGN in einem Satz beschrieben

Der gemeinnützige Leipziger Verein SING&SIGN e.V. macht mit seinem inklusiven Ensemble, bestehend aus  hörbehinderten, mehrfachbehinderten und hörenden professionellen sowie semiprofessionellen Musiker*innen, vor allem Vokalwerke von J.S. Bach auch hörbehinderten Menschen barrierefrei zugänglich, indem mit Gebärdensprache musiziert wird.

WARUM?

Projektintention

Für hörbehinderte Mitwirkende oder Konzertbesucher*innen ist Bachs Musik, die einen wesentlichen Teil unserer Kultur ausmacht, kaum zugänglich. Besonders im Bereich der klassischen Musik fehlt oft noch der Teilhabegedanke. Johann Sebastian Bach hat gesagt: „Mit aller Musik soll Gott geehrt und die Menschen erfreut werden.“ Um dem gerecht zu werden, alle Menschen zu erfreuen und niemand zu exkludieren, ist  eine Intention dieses Projektes das Verbinden der Kultur der klassischen geistlichen Musik und der Gebärdensprachkultur, die meist nebeneinander, statt miteinander leben.

Denn Perspektivisch sollen in der Bachstadt Leipzig jährlich eine barrierefreie Passion und ein barrierefreies Weihnachtsoratorium etabliert werden. Das Ensemble widmet sich jedoch auch anderen Komponist:innen. Dabei steht stets die visuelle Darstellung des gesungenen Worts und der gespielten Musik in Einheit mit der Emotionalität des jeweiligen Werks.

WER?

Ensemble

Das Ensemble wurde 2017 von der Sopranistin Susanne Haupt gegründet und besteht  inzwischen aus etwa 50 hörbehinderten, mehrfachbehinderten und hörenden Akteur*innen, überwiegend junge Erwachsene, und vereint mehrere Gruppen:

Die Berufsmusiker*innen des Ensembles sind namhafte Gesangssolist*innen und Instrumentalist*innen, die ein Barock-Ensemble bilden. Es werden freiberufliche Musiker*innen engagiert, um diese Berufsgruppe zu unterstützen, da sie besonders mit den Folgen des langen pandemiebedingten Berufsverbotes zu kämpfen hat.

Der Gebärdenchor setzt sich zusammen aus semiprofessionellen Vokalist*innen (meist Studierende der HMT oder UNI Leipzig) und Menschen mit verschiedenen Behinderungen (Hörbehinderung, Sehbehinderung, AVWS oder Lernbehinderung), die aktiv im Gebärdenchor des BBW und in der Gehörlosengemeinde Leipzig sind.

WELCHE PRIMÄRZIELE?

Durch die gemeinsame Pflege geistlicher Vokalmusik, insbesondere des Bachschen Erbes, durch und für Hörbehinderte und Hörende, werden gemeinsam kulturelle Traditionen und Werte gelebt. Mit der Konzertreihe „Mit den Augen hören“ widmet sich das Ensemble neben Bach zudem auch anderen Komponist*innen. Es werden dabei Schranken und Berührungsängste zwischen Hörenden und Hörbehinderten abgebaut. Die Inklusion Behinderter an Musik-Freizeit und Bildung, sowie soziale, kulturelle Teilhabe ist das wesentliches Anliegen des Projektes und trägt zur Stärkung und öffentliche Wahrnehmung dieser Minderheit bei. Im Fokus steht dabei das gemeinsame Wirken und Erleben von Hörbehinderten und Hörenden. Von der Projektentwicklung, über die Organisation bis zur Umsetzung.

WIE?

Projektablauf

Zunächst werden die biblischen Texte in Zusammenarbeit mit Hörbehinderten, Theolog*innen und Gebärdensprachdolmetscher*innen in die Deutsche Gebärdensprache (DGS) übersetzt und verschriftlicht. Anschließend werden sie per Video als Lernhilfe für die Sänger*innen visualisiert. Da sich die Gebärdensprache in Satzbau und Stellung von der Grammatik der Lautsprache unterscheidet, gibt es zwei Übersetzungen. Eine in DGS für die hörbehinderten und eine DGS-nah für die hörenden Sänger*innen.

In wöchentlichen Ensembleproben lernen dann alle Sänger*innen Gebärden und Musik auswendig: die Hörenden lassen die Vokalmusik erklingen und gebärden dazu DGS- nah, die Hörbehinderten gebärden in DGS im Metrum der Musik, gemeinsam mit den Hörenden.

Dadurch wird auch der komplexe musikalische Aufbau der Kompositionen visualisiert. Zudem werden zum einen die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen der Grammatik der Lautsprache und der Grammatik der Gebärdensprache genau sichtbar und zum anderen die Unterschiede zwischen den Sprachanfängern und den Muttersprachlern.

Da das noch niemand versucht hat, wurde hierfür ein Konzept erarbeitet und stetig weiterentwickelt.

Kommuniziert wird also in einem Mix aus Lautsprache, DGS und DGS-nahen Übersetzungen, was wiederum der Heterogenität der Gehörlosengemeinschaft entspricht.

Bei rein instrumentalen Parts visualisieren die Sänger*innen Parameter und Motive mit Gebärden, um nicht nur den Text, sondern die gesamte Musik darzustellen. Auch szenische Darstellung und Interaktion mit dem Publikum sind Teil der Aufführungen.

FÜR WEN?

Ein Konzert soll ein Gewinn für hörende und hörbehinderte Menschen sein, so wie es auch innerhalb des Ensembles der Fall ist.

Hörbehinderte Menschen, egal ob sie von Geburt an taub oder erst mit der Zeit schwerhörig oder ertaubt sind oder an einer Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung leiden, können Musik nicht oder nur eingeschränkt wahrnehmen, teilweise über Vibrationen im Raum, Hörimplantate oder über die verbleibende Hörkraft. Sie bekommen beispielsweise durch die Übersetzungen und Verbildlichung Unterstützung beim Einordnen von wahrgenommenen Klängen, Hörerinnerung bei Verlust von Hörleistung oder einen generellen Einblick die Sprache und Kultur der Musik. Insbesondere soll ein Zugang zum Teils herausfordernden, komplexen Aufbau von Kompositionen und den historisch, christlich und zum Teil auch schwer verständlichen Inhalten ermöglicht werden.

Hörende Menschen werden durch die Visualisierung mittels Gebärden im differenzierten Hören der einzelnen Stimmen unterstützt. Die Gebärden lassen die Mehrstimmigkeit sichtbar werden und geben der Musik somit eine zusätzliche Erlebnisdimension und emotionale Tiefe. Dem hörenden Publikum wird ein Blick in die Sprache und Kultur der Hörbehinderten gegeben, aber auch auf Isolation, Unverständnis und Audismus (Diskriminierung von Hörbehinderten) aufmerksam gemacht, die zumeist durch Kommunikationsbarrieren und damit Unwissenheit entstehen. Mit einem Teil der Konzerteinnahmen wird die Gehörlosengemeinschaft unterstützt.

WO?

Regionale und überregionale Bedeutung und Reichweite

In der bekannten Musik- und Bachstadt Leipzig werden innerhalb des Kirchenjahres neben wöchentlichen Bach-Kantaten des Thomanerchores jährlich jeweils rund 30 Bachsche Weihnachtsoratorien und Passionen erarbeitet und aufgeführt. Von Hörenden für Hörende und damit nicht barrierefrei. Um dem meist unbeachteten Publikum der Hörbehinderten auch eine Möglichkeit zu bieten, regelmäßig an dieser Tradition teilzuhaben, soll durch das Ensemble jährlich je eine audiovisuelle, teils interaktive und szenische, barrierefreie Aufführung dieser Werke innerhalb des Kirchenjahres angeboten werden: in der Adventszeit Kantaten des Weihnachtsoratoriums und in der Passionszeit eine Passion, dazwischen ausgewählte Kantaten oder Motetten. Diese Konzerte sollen einen festen Platz in den Konzertkalendern innerhalb und außerhalb Leipzigs finden.

Zudem ist in Leipzig Deutschlands größtes Berufsbildungswerk für Hörbehinderte ansässig. Dementsprechend groß ist die Gebärdensprachgemeinschaft, die auch mit einem Teil der Konzerteinnahmen unterstützt wird. Damit ist Leipzig die erste Stadt in Deutschland, die mit diesem Pilotprojekt regelmäßig  barrierefreie Bach-Werke aufführt.

In Planung sind weiterhin ein Kinder-Mitmachkonzert und das Gebärden eines Instrumentalwerkes: Bachs Kunst der Fuge. Andererseits soll dieses innovative, bisher einzigartige Projekt in anderen Städten vorgestellt werden, um auch dort Hörbehinderte zu erreichen. Teils in Kooperation mit anderen Ensembles und Institutionen, um möglichst viele mit dem Thema dieser Inklusion zu erreichen und etwas in der Richtung zu bewegen.

MIT WEM?

Kooperationspartner

Das Ensemble kooperiert(e) bisher mit folgenden Institutionen und Schirmherren:

Schirmherrschaften

Thomaskantor i.R. Prof. Gotthold Schwarz (Thomanerchor)

Intendant Bachfest Leipzig Prof.Dr. Michael Maul (Bacharchiv)

Leiter CI-Zentrum Prof. Dr. Michael Fuchs (Universitätsklinikum Leipzig)

Institutionen Musik

Regional: MDR / Bacharchiv Leipzig / Forum Thomanum / Symposium für Kinder- und Jugendstimme / Hochschule für Musik und Theater Leipzig / Peterskirche Leipzig / Martin-Luther  Kirche Markkleeberg / LOC (Leipziger Oratorienchor)

Überregional: Schütz- Musikfest / Stadtsingechor Halle / Thüringer Bachwochen/ ION (Internationales Orgelfestival Nürnberg) / Theater Iserlohn / Delian Quartett / BDG (Bundesverband deutscher Gesangspädagogen) / Teil des Bewerbungsprojektes „The (es)sense of music“ im Rahmen der Petition „Magdeburg Kulturhauptstadt 2025“ / Chorfest Magdeburg

Institutionen Inklusion:

Regional: BBW Leipzig (Mitglieder Gebärdenchor Berufsbildungswerk für Hörgeschädigte) / Gehörlosengemeinde Leipzig / Gehörlosenschule Leipzig (in Verhandlung) / Gehörlosenverband  Leipzig

Überregional: Deutscher Gehörlosenbund (AG „Musik/Deafperformance“) Inklusionsnetzwerk Sachsen / DCIG (Deutsche Cochlea Implantat Gesellschaft) / Landesverband Soziokultur

INKLUSION BRAUCHT KULTUR- KULTUR BRAUCHT INKLUSION

Das Erlernen der DGS von Hörenden und das Einbeziehen von Hörbehinderten in die musikalische Arbeit ist  ein Schritt in Richtung einer kleineren, aber besonderen Kulturgemeinschaft. Denn die Mehrheitsgesellschaft  sollte nicht aus der Überlegenheit der Masse heraus erwarten, dass andere Sprach- und Kulturgemeinschaften, ihre Sprache verstehen und sich dieser vollständig anpassen.

Die übliche Praxis, in welcher Dolmetscher*innen oder Hörbehinderte neben und nicht mit den Musizierenden  gebärden, ist beispielsweise für das Ensemble ein Bild der Trennung und nicht des Verbindenden. Denn dabei kommunizieren Hörende und Hörbehinderte größtenteils wieder nur unter sich.

Aus diesem Grund kommunizieren die hörenden Sänger*innen des Ensembles mit Hilfe der Gebärden mit der Gehörlosengemeinschaft im Bereich Musik direkt, aus Respekt für diese Kultur, auch wenn sie Sprachanfänger sind. Dabei wird die Musik sicht- und greifbar und gibt damit etwas an diejenigen zurück, von denen sie die Sprache lernen. Auch die Hörbehinderten gebärden die Musik mit den Hörenden gemeinsam und gewinnen so Einblicke in die Welt der Musik. So kann zwischen den Kulturen ein Austausch  fließen.

Neben den Texten der musikalischen Werke, lernen die Hörenden die Grundlagen der Gebärdensprache,  damit sie sich mit den Hörbehinderten austauschen können.

Es soll einen Perspektivwechsel für beide Seiten angeregt werden, Barrieren ab und Brücken aufgebaut werden um auf aufeinander zuzugehen und sich auszutauschen und sich dadurch besser kennen und verstehen zu lernen, füreinander zu öffnen und das Verbindende in den Fokus zu stellen.

BISHERIGE ERFOLGE

Die bisherige Arbeit des Ensembles konnte bereits coronabedingt einem breiten Publikum im Internet vorgestellt werden. So wurde beispielsweise ein Kantatenprogramm J. S. Bachs im Rahmen des Leipziger Bachfestes  2021 gestreamt, hatte weit über 14 000 Aufrufe weltweit und hinterließ in unzähligen Sprachen begeisterte Satements.

Beim vom MDR ausgelobten Wettbewerb „Freie Sendezeit für freie Künstler“ konnte das Ensemble einen der Gewinnerplätze belegen. Wettbewerbsbeitrag MDR

Ebenso gewann es mit „Beethoven- mit den Augen hören“ einen Gewinnerplatz des vom Bundesmusikverband Chor und Orchester e.V. ausgeschriebenen Videowettbewerbes „Beethoven…anders“. Wettbewerbsbeitrag Beethoven

SING&SIGN war außerdem beim Symposium für Kinder- und Jugendstimme vertreten und konnte dort oben genannte namhafte Schirmherren gewinnen.

Durch diese im Klassiksektor einzigartigen und emotional berührenden Aktivitäten sind u.a. der Deutsche Gehörlosenverbund oder die New York Times  auf das Ensemble aufmerksam geworden. Artikel NYT

 

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